Mit Magritte und den Surrealisten die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit ausloten. Auf große Reise gehen. Sich mit dem Thema Obdachlosigkeit in Corona-Zeiten auseinander setzen. Mehr über die Vielfalt von Algen erfahren, darüber, was Künstlerkollektive verbindet – oder einfach nur unserer Lust auf Teppiche nachgeben?
Aber: wo anfangen? Welche Ausstellung in München, welches Museum zuerst? In München könnt ihr wählen: zwischen aktueller, zeitgenössischer Kunst und alten Meistern, Pop-up-Laboren und Traumbildern, realen und surrealen Szenen. Klassisch und modern, illusionistisch und digital, kontrovers und interdisziplinär, Stars oder Geheimtipps, Sinn oder Wahnsinn? Für jeden Geschmack ist was dabei… schaut selbst!
Mehr zu den Ausstellungen in Bayern findet in diesem Artikel über die Ausstellungs-Highlights und den Überblick über alle Ausstellungen findet ihr hier auf dem Museumsportal Bayern.
Ausstellungen in München 2021
Tue Greenfort ALGA
Eres-Stiftung München
Ausstellung bis 19. Januar 2022
Still aus dem Video-Trailer: Tue Greenfort ALGA © ERES-Stiftung
„Natur steht für die komplexe Beziehung zwischen Zugehörigkeit und Unbekanntem.“
Tue Greenfort
Seine Projekte verändern den Blick auf die vertraute Natur und schicken den Betrachter auf ungewohnte Entdeckungsreise: der dänische Konzeptkünstler und documenta-Teilnehmer Tue Greenfort (*1973) rückt Algen ins Zentrum seiner Arbeit. Im Lauf der Evolution hat sich eine überwältigende Vielfalt dieser Photosynthese betreibenden Lebewesen ausgebildet, die sich durch unterschiedlichste Formen, Farben und Größen auszeichnen. Algen sind Überlebenskünstler, sie leben im Meer und im Süßwasser, aber auch in der Luft und sogar auf Schnee. Sie können giftig und lebensbedrohlich sein, sie gelten als Superfood und mögliches Heilmittel, ihre chemische Ähnlichkeit mit Erdölbestandteilen machen sie zu potenziellen Lieferanten von Biokerosin. Heute gehören die geschätzten 400.000 Arten zu den wichtigsten Sauerstoffproduzenten und tragen damit signifikant zur Stabilisierung des Weltklimas bei.
ALGA ist die erste größere Einzelausstellung des international gefragten Künstlers in München. Seine eigens für die ERES-Stiftung entwickelte Algen-Werkgruppe umfasst knallig-grüne Glasarbeiten, die von der Decke hängen, zarte Papiertondi, die Algenspuren sichtbar machen oder Gipsabdrücke von Strandabschnitten, die Muscheln, Seetang und Kiesel enthalten.
Im AlgenLAB könnt ihr eure mitgebrachten Gewässerproben unter dem Mikroskop untersuchen, auf einem großen Monitor betrachten und über eine spezielle Funktion als Handyfoto speichern.
Begleitend zur Ausstellung: ein spannendes Vortragsprogamm erforscht das Potenzial von Algen in der Medizin (19.10., 19 Uhr), über ihre Rolle beim Klima (28.10., 19 Uhr), Algen als Treibstoff (11.11., 19 Uhr) oder Algen in der Isar (13.01., 19 Uhr).
Fantastisch Real. Belgische Moderne von Ensor bis Magritte
Kunsthalle München
Ausstellung bis 6. März 2022
© Sabine Wieshuber
„Es sind eher selbst gewollte Träume, die nicht einschläfern, sondern aufwecken wollen.“
René Magritte
Surreale Welten und atmosphärische Landschaften von René Magritte und Paul Delvaux oder fantastische Maskeraden von James Ensor – die Kunsthalle München präsentiert Meisterwerke der belgischen Moderne von ca. 1860 bis 1960. Etwa 130 Gemälde, Grafiken und Skulpturen veranschaulichen, wie die Kunst dieser Zeit die Grenzen von Fantasie und Wirklichkeit auslotet. Die meisten Leihgaben stammen aus dem Museum für Schöne Künste Antwerpen.
Real und fantastisch, übersinnlich und träumerisch – die Bilder geben uns Rätsel und Mysterien auf. Dieses Phänomen geht zurück auf die detailgenauen Darstellungen der altniederländischen Malereitradition von Meistern wie Hieronymus Bosch oder Pieter Brueghel dem Älteren. In der Moderne entwickelt sich das Spannungsverhältnis zwischen Realem und Fantastischem zu einem zentralen Merkmal der belgischen Kunst. Neben den großen Namen sind unter den rund 40 ausgestellten Künstlern zahlreiche hierzulande kaum bekannte Maler wie Eugène Laermans, Constant Permeke oder Rik Wouters zu entdecken.
Grand Tour XXL. Der Reisekünstler Emel‘jan Korneev
Münchner Stadtmuseum
Ausstellung bis 30. Januar 2022
„Es gibt nur zwei Weisen die Welt zu betrachten: Entweder man glaubt, dass nichts auf der Welt ein Wunder sei, oder aber, dass es nichts als Wunder gibt.“
Albert Einstein
Eine „Grand Tour“ nach Italien galt bis weit ins 19. Jahrhundert für Künstler als unverzichtbare Bildungsreise. Emelˈjan M. Korneev ging jedoch noch viel weiter: als Teil einer offiziellen, vom Zaren beauftragten Expedition bereiste er 1802/03 das gesamte russische Imperium und gelangte dabei bis nach Sibirien und an die südöstlichen Grenzen zu China. Von der Krim aus ging es weiter nach Konstantinopel und über Kleinasien in das damals osmanisch besetzte Griechenland.
Wie viele andere französische oder deutsche Künstler der Goethezeit dokumentierte Korneev nicht nur verschiedenste Landschaften und Architekturen, sondern hielt auch immer wieder traditionelle Kostüme und folkloristische Szenen fest. Nachdem Korneev auch so schon zweifelsohne weiter gereist war als die meisten seiner Zeitgenossen, übertraf seine Teilnahme an einer Weltumsegelung zwischen 1819 und 1821 endgültig jede Norm.
Das Münchner Stadtmuseum zeigt erstmals ein seltenes Konvolut von Zeichnungen des russischen Künstlers Emelˈjan M. Korneev (1780 – nach 1839) der Öffentlichkeit. Obwohl viele seiner Arbeiten als zerstört oder verschollen gelten, verfügt die Sammlung Grafik und Gemälde seit 1926 über fünfzig von Korneevs großformatigen Aquarellen, Feder- und Bleistiftzeichnungen, welche seine künstlerische Qualität bezeugen. Das Deutsche Archäologische Institut in Berlin steuert zudem etliche Leihgaben zur Ausstellung bei.
Gruppendynamik. Kollektive der Moderne
Städtische Galerie im Lenbachhaus
Ausstellung vom 19. Oktober 2021 bis 24. April 2022
Mohamed Melehi (1936-2020), Composition, 1968, Private Collection, Marrakesh © VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Norah Borges (1901–1998 Buenos Aires), Illustration für den Reisebericht „El Puñal de Orion“ (Das Schwert des Orion) von Sergio Piñero Hijo, 1925-1926, Sammlung María Teresa Piñero, Buenos Aires
Foto: Matías Iesari
„Kunst entsteht nicht im luftleeren Raum, sie basiert auf Austausch und gesellschaftlichem Miteinander.“
Beijing, Buenos Aires, Bombay (heute Mumbai), Casablanca, Khartum, Kyoto, Lahore, Łódź, Nsukka, São Paulo, Tokyo: Überall auf der Welt schlossen sich im 20. Jahrhundert Künstler*innen zu Kollektiven zusammen. Die Tendenz zur gleichgesinnten und solidarischen Gruppenarbeit war und ist universell; die Anliegen der Mitglieder, ihre ästhetischen Methoden, politischen Ziele und utopischen Ideen sind jedoch – je nach Zeit und Ort – durchaus verschieden.
Die Ausstellung „Gruppendynamik – Kollektive der Moderne“ beleuchtet exemplarisch die Entstehung und Entwicklung von Künstler*innengruppen in Hinblick auf ihren jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund. Der gewählte Zeitraum von etwa 1910 bis in die 1980er Jahre umfasst internationale Modernisierungsbewegungen und antikoloniale Befreiungskämpfe.
Parallel dazu läuft derzeit eine zweite Ausstellung, die dem Künstler*innenkreis „Der Blaue Reiter“ gewidmet ist: „Gruppendynamik – Der Blaue Reiter„, Lenbachhaus, noch bis 5. März 2023.
Lust auf Teppiche
Galerie Handwerk
Ausstellung vom 20. Oktober bis 20. November 2021

„Niemand sieht deine Krone aus Kristall, niemand schaut den Teppich aus rotem Gold, den jeder Schritt von dir betritt, den Teppich, der gar nicht da ist.“
Pablo Neruda
Diese geknüpften und gewebten Kunstwerke werden in Ateliers oder in den Werkstätten traditioneller Ursprungsländer der Teppichknüpfkunst nach Entwürfen von Designern gefertigt. Geknüpft, gewebt, geknotet, geflochten und getuftet – verwendet werden sorgsam ausgewählte Rohstoffe von höchster Qualität: Faser, Baumwolle, Ziegenhaar und Schafwolle, die aus Bayern, aus dem Himalaya oder aus Tibet kommen. Aber auch Kunststoffbänder, Viskose, Holz, Papier, Fahrradschläuche, Schweizer Armeemäntel usw. kommen zum Einsatz.
Insgesamt werden Arbeiten von 17 Ateliers und Künstlern aus Deutschland, Italien, Schweden, Finnland, Niederlande, Türkei und der Schweiz gezeigt.
Who’s Next? Obdachlosigkeit, Architektur und die Stadt
Architekturmuseum der TUM
Ausstellung vom 4. November 2021 bis 6. Februar 2022
Erstes befristet genehmigtes Zeltlager für Obdachlose, Fulton Street in San Francisco 2020 © Christopher Michel
„Die Wahrheit ist immer obdachlos.“
Sprichwort aus Dänemark
Wie viele Menschen auf der ganzen Welt könnten als nächste ihr Zuhause verlieren? Obdachlosigkeit – der Zustand, keine feste Wohnung zu haben – zeigt sich als ein zunehmendes globales Problem, das aber besonders auf lokaler Ebene diskutiert und gelöst werden muss. Die Coronapandemie, Insolvenzen und steigende Arbeitslosigkeit haben die Situation noch einmal zugespitzt und zu einem gesamtgesellschaftlichen Anliegen werden lassen.
Architektur kann das Problem der Wohnungslosigkeit nicht alleine lösen. Aber sie kann Fragen stellen und überlegen wie und mit welchem Beitrag sie Einfluss nehmen kann. Die Intention der Ausstellung gilt einer gesamtheitlichen Lösungsfindung unter Einbeziehung des Fachwissens von nationalen, regionalen und städtischen Behörden, Nichtregierungsorganisationen, religiösen Institutionen, Einrichtungen des Gesundheitswesens und Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen. Architektonische Fallbeispiele, Dokumentarfilme und eine für die Ausstellung eingerichtete Bibliothek tragen zum Verständnis von Obdachlosigkeit bei.
Heidi Bucher. Metamorphosen
Haus der Kunst
Ausstellung bis 13. Februar 2022
Heidi Bucher. Metamorphosen. Installationsansicht / Installation view: Hautraum (Ricks Kinderzimmer, Lindgut Winterthur), 1987, Haus der Kunst, 2021, Foto: Markus Tretter
„Räume sind Hüllen, sind Häute. Eine Haut nach der andern ablösen, ablegen: Das Verdrängte, Vernachlässigte, Verschwendete, Verpasste, Versunkene, Verflachte, Verödete, Verkehrte, Verwässerte, Vergessene, Verfolgte, Verwundete.“
Heidi Bucher
Mit der Schweizerin Heidi Bucher (1936-1993) präsentiert das Haus der Kunst eine bedeutende und wiederzuentdeckende Künstlerin der internationalen Neo-Avantgarden, die mit ihren Latex-Werken die Zwänge und Befreiungsprozesse menschlicher Existenzformen ergründet. Mit ihrer performativen Arbeit lenkt sie den Blick auf den Körper im Raum, dem sich Erlebnisse, Beziehungen und Emotionen einschreiben.
Die Retrospektive stellt erstmals alle zentralen Werkgruppen der Öffentlichkeit vor, von ihrer anfänglichen Faszination von Kunst und Mode, ihren trag- und tanzbaren Körperskulpturen „Bodyshells“, die experimentelle Zeit in Los Angeles und New York, zum Hauptwerk mit den Architektur-Häutungen bis zu ihrem Spätwerk, das auf Lanzarote entstand.
Außerdem laufen noch diese Ausstellungen:
Ikonen der Urban Art
MUCA
Ausstellung bis Dezember 2021
Ikonen der Urban Art – MUCA © MUCA
In der Ausstellung „Ikonen der Urban Art“ überführt das MUCA die Street Art in die zeitgenössische Kunst und verleiht ihr ein kulturelles Gedächtnis. Gestern wie heute nutzen Street Art Künstler die urbane Infrastruktur als Leinwand, um uns durch ihre Botschaften auf Um- und Missstände aufmerksam zu machen. Jedes ihrer Werke erzählt eine andere Geschichte.
Basierend auf einer der größten Banksy Sammlungen Europas werden Schlüsselwerke offizieller Banksy Ausstellungen präsentiert. Darunter auch das monumentale Ölgemälde „Are You Using That Chair?“ – eine subversive Allegorie auf Edward Hoppers berühmtes Bild „Nighthawks“. Das großformatige Werk war bisher nur einmalig in Banksy‘s Ausstellung „Crude Oils“, 2005 in London, zu sehen.
HAND – GROßE – KUNST. Medaillenkunst in Deutschland 2007-2020
Staatliche Münzsammlung München
Ausstellung bis 9. Januar 2022
Klaus Kowalski, Schlangenweisheit 2019. Foto: Nicolai Kästner, Staatliche Münzsammlung München
Dass ein Kunstwerk nicht immer einen kompletten Raum füllen muss, zeigt die Ausstellung in der Staatlichen Münzsammlung München. 150 Künstlerinnen und Künstler präsentieren ihre neuesten Arbeiten. Die Gesamtschau zeigt mit 240 Werken die ganze Bandbreite der zeitgenössischen deutschen Medaillenkunst. Die Medaillen der Künstlerinnen und Künstler zeigen eine große Vielfalt an Stilformen von „klassisch“ bis zur Objektkunst. Sie decken ein reiches Themenspektrum vom Porträt über Antike, Religion, Tiere, Krieg und Geld bis zu Politik und Umwelt ab.
Im Labyrinth der Zeiten – Mit Mordechai W. Bernstein durch 1700 Jahre deutsch-jüdischer Geschichte
Jüdisches Museum München
Ausstellung bis 13. Februar 2022
Mordechai W. Bernstein, um 1950 Fragment einer Öllampe, ca. 4. Jh., Rheinisches Landesmuseum Trier. Foto: Thomas Zühmer
Einen Überblick über 1700 Jahre deutsch-jüdische Geschichte gibt uns die Ausstellung „Im Labyrinth der Zeiten“ im Jüdischen Museum München. Mordechai W. Bernstein (1905-1966) war Mitarbeiter des „Jüdischen Wissenschaftlichen Instituts“ (YIVO) in Wilna. Er erhielt den Auftrag, die geraubten Bestände des YIVO in Deutschland zu suchen. In den Jahren 1948 bis 1951 besuchte er aber auch rund 800 Orte auf der Suche nach Überresten deutsch-jüdischer Kultur. In drei Bänden in jiddischer Sprache veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Suche und schaffte so ein musée imaginaire der zerstörten deutsch-jüdischen Kultur. Die Ausstellung zeigt 18 Objekte, die Mordechai W. Bernstein aufgespürt hat und stellt Bernsteins Blick aus der Perspektive der unmittelbaren Nachkriegszeit dem heutigen gegenüber.
Sweat.
Haus der Kunst
Ausstellung bis 9. Januar 2022
Daniel Lind-Ramos “Con-junto (The Ensemble)”, 2015, Foto: Pierre Le Hors
Der Körper steht im Mittelpunkt der Gruppenausstellung „Sweat“. Die Ausstellung ist das Ergebnis von zwei Jahren intensiver Recherche. Sie widmet sich dem Phänomen von Körpern, die gemeinsam agieren und ihre Gegenwart gestalten. Die Ausstellung versammelt mehr als 20 künstlerische Stimmen, deren Werke an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten und angesichts verschiedener Bedingungen des sozialen und politischen Druckes entstanden sind.
Alexandra Bircken: A-Z
Museum Brandhorst
Ausstellung bis 16. Januar 2022
Alexandra Bircken, Snoopy, 2014, Motorradanzug, Nägel, Sammlung Udo und Anette Brandhorst © Alexandra Bircken. Foto: Andy Keate, Courtesy BQ, Berlin und Herald St, London
Alexandra Birckens Kunst basiert auf den Prinzipien des Trennens und Verbindens unserer Welt des Innen und Außen. Ab Juli 2021 widmet das Museum Brandhorst der international bedeutenden deutschen Bildhauerin ihre bislang umfangreichste Werkschau.
Verlängert:
Biotopia Naturkundemuseum Bayern – Biotopia Lab, Pop-Up-Ausstellung im BIOTOPIA Lab | ab 26. März 2021
Lenbachhaus „Unter Freiem Himmel. Unterwegs mit Wassily Kandinsky und Gabriele Münter“ | bis 30. Januar 2022
Pinakothek der Moderne: „Au rendez-vous des amis. Klassische Moderne im Dialog mit Gegenwartskunst aus der Sammlung Goetz“ | bis 16. Januar 2022
Abb. ganz oben: René Magritte (1898–1967), Die Rache, 1938 oder 1939, 47 × 35 cm, Aquarell auf Papier, Königliches Museum für Schöne Künste Antwerpen © René Magritte, VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Ch. Herscovici, Sammlung KMSKA – Flämische Gemeinschaft, Foto: Hugo Maertens
Nathalie Schwaiger