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Orte der Stille

Die Blätter rieseln, die Tage werden - spätestens seit der Zeitumstellung - kürzer. Die Natur verändert sich und mit ihr auch oft unsere Stimmung. Ob nun in den Freilichtmuseen, Schlossparks, historischen Räumen, in Klöstern oder Kirchen: Museen sind wunderbare Rückzugsorte für einen Moment der Stille. Zum Auftanken und Energie sammeln. Zum Erinnern und Bewahren. Zum Lauschen, Durchatmen, Nachdenken und zur Ruhe kommen. 
 

Unsere Ausflugstipps sind das beste Mittel gegen den November-Blues: auch wenn sich jetzt jede Menge besinnliche Feiertage jagen, von Reformationstag bis Totensonntag - der Herbst ist eine tolle Chance, um Neues zu entdecken! Lasst euch wie wir vom Element Metall inspirieren, das die traditionelle chinesische Medizin dieser Jahreszeit im Wandel zuordnet: das Element Metall hilft uns, innere Klarheit zu finden und uns auf das Innen zu konzentrieren. Es stärkt unsere Intuition und löst Konflikte. Es ermutigt uns, Altes loszulassen, damit Neues entstehen kann - ganz so wie die Bäume die Blätter fallen lassen ...

Fränkisches Freilichtmuseum Fladungen/Unterfranken

Für die bayerischen Freilichtmuseen ist bis Sonntag 5. November 2023 Endspurt - auch am Rand von Bayerns nördlichster Stadt. Das Freilandmuseum Fladungen, wurde 2021 zusammen mit dem Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim mit dem Bayerischen Vermittlungspreis ausgezeichnet. Eingebettet in Gärten, Äcker und Streuobstwiesen, erzählen die Höfe, die beiden Mühlen, das Brauhaus und das sogenannte „Kalthaus“, die Dorfschule, Schäferei und Büttnerei wie das Dorfleben in Unterfranken vor 350 Jahren aussah.
Bis dahin gibt das Museums-Team noch mal alles, bevor dann bis 1. April 2024 Ruhe einkehrt: am Samstag 4. November können die Kinder in der alten Dorfschule aus Krausenbach die Bank drücken und ausprobieren, wie Unterricht anno dazumal aussah. Am Sonntag 3. Dezember klingt die Saison mit einem besinnlichen Konzert mit dem Gospelchor "Spirit of Joy" in der Museumskirche aus (15-16 Uhr). Die Museumskirche, die katholische Kuratiekirche aus Leutershausen, von 1801-1803 im Landkreis Rhön-Grabfeld gebaut, wurde Stein für Stein von 1992 bis 1995 umgesetzt. Auch wunderbar romantisch heiraten könnt ihr hier von April bis Oktober...

Heiliggeistkirche in Landshut/Niederbayern

Heller, lichter Kirchensaalraum mit weißen schlanken Säulen
Heiliggeistkirche, Museen der Stadt Landshut © Toni Ott

Licht, hell und erhebend: der Kirchenraum der Landshuter Heiliggeistkirche gehört zu den großartigsten Raumschöpfungen der Spätgotik in Altbayern. Seit der 1998 abgeschlossenen umfangreichen Sanierung wird die Kirche als Raum für Wechselausstellungen genutzt. Ausstellungen in Heiliggeist, seien sie als Epochendialoge oder ortsspezifische Installationen regionaler Künstler angelegt, suchen mit dem Zusammenwikren von Raum und präsentierten Artefakten aus Geschichte und Gegenwart eine ganz eigene Wirkung zu erzielen.

Aktuelle Ausstellung: Danner-Preis 2023. Ausgezeichnetes Kunsthandwerk, bis 7. Januar 2023

Kapelle "Marys Mantle" im Diözesanmuseum Freising/Oberbayern 

Blick in die von Kiki Smith gestaltete Kapelle im Diözesanmuseum
Blick in die von Kiki Smith gestaltete Kapelle im Diözesanmuseum

Verwandlung durch Mitgefühl und Handlungen radikaler Empathie; Empfindsamkeit gegenüber allen Lebensformen - das ist Kiki Smiths Intention. Von New York, wo sie lebt, ist sie immer wieder angereist, um an dem Projekt einer Kapelle in Freising zu arbeiten, einer begehbaren Skulptur, die neben dem Museum an der Kante des Dombergs errichtet wird. Begleitend zur Eröffnung der Kapelle, die der Jungfrau Maria gewidmet ist und den Titel Mary‘s Mantle trägt, zeigt das Diözesanmuseum nun Werke der Künstlerin, die Möglichkeiten und Visionen des Verbundenseins, des Mitgefühls und der Intuition entwerfen. Sie thematisieren Sorge und Liebe für den Anderen, die fließende Energie zwischen Körpern und ihre friedvolle Nähe. 

Aktuelle Ausstellung: Kiki Smith. Empathy, (externer Link, öffnet neues Fenster)  bis 7.  Januar 2024

Moritzkirche Augsburg/Schwaben

Konzentration auf das Wesentliche: der britische Architekt John Pawson gab der Moritzkirche in Augsburg ein neues Gesicht

Sie ist eine der ältesten Pfarreien der Stadt und liegt mitten in der City, zwischen Geschäften, Cafés und Kaufhäusern. Doch sobald man den lichten, puristischen, fast vollkommen weißen Kirchenraum betritt, ist man in einer anderen Welt. Oder vielleicht auch schon im Himmel... Hektik, Lärm, Vorweihnachtsstress bleiben draußen. Durch die Reduktion der Formen, Farben und Materialien (portugiesischer Kalkstein, dunkel gebeizte Eiche und der Halbedelstein Onyx für die Fenster und Teile des Tabernakels) strahlt der Raum eine meditative Kraft aus. Die Pfarrei, die so wie keine andere den Strukturwandel der Innenstadt miterlebt, ist Standort der Cityseelsorge der katholischen Kirche in Augsburg und geht mutig neue Wege - auch architektonisch.
Den Umbau der Kirche gestaltete der britische Architekt John Pawson, Begründer des englischen Minimalismus. Mit seiner Vision eines einfachen, modernen Kirchenraumes hat er in der ehemals barocken Moritzkirche (externer Link, öffnet neues Fenster)gründlich aufgeräumt: die klare Ausrichtung des Schiffs nach Osten wird durch seine Gestaltung noch betont. Die Wiederholung der Formen und die indirekte Lichtführung öffnen den Raum optisch. Ein Gefühl der Unendlichkeit macht sich breit, das stärker wird, je weiter man Richtung Osten geht.
Selbst die Orgel ist vom Hauptschiff aus nicht sichtbar, sondern befindet sich im Ostchor. So gibt es nichts, was die Klarheit und Symmetrie im Chorraum stört...

Jüdisches Museum Augsburg/Schwaben

überkuppelter Kultraum der Augsburger Synagoge
Die Augsburger Synagoge © JMAS. Foto: W.B. Kleiner

Die Ehemalige Synagoge Kriegshaber ist ein besonderer Ort, das spürt man sofort: sie ist die älteste erhaltene Synagoge in Bayerisch-Schwaben und war fast dreihundert Jahre lang das Zentrum der jüdischen Gemeinde vor den Toren Augsburgs. Jahrelang stand das Gotteshaus im heutigen Stadtteil Kriegshaber leer und ist seit seiner Sanierung 2014 eine Dependance des ersten eigenständigen jüdischen Museums in Deutschland.
Die Ausstellung im Haupthaus des Jüdischen Museums in der Innenstadt präsentiert die Geschichte der Juden in Augsburg als eine Geschichte der Migration, als Abfolge von Niederlassung und Vertreibung, von Suchen und Finden, aber auch als Verlust von Heimat. Die Ritual- und Kultgegenstände aus Silber stammen aus zerstörten jüdischen Gemeinden Schwabens. Von bekannten Augsburger Goldschmieden gefertigt, zeigen sie erstaunliche Verflechtungen zwischen jüdischer und christlicher Kultur, lenken den Blick auf das Mit-, Gegen- und Nebeneinander von jüdischer Minderheit und christlicher Mehrheit.

Studienkirche St. Josef Burghausen /Oberbayern

Studienkirche St. Josef Burghausen, Foto: © Nixdorf Fotografie
Ausstellungsansicht "timelessness - a video project by Thomas Radlwimmer" in der Studienkirche St. Josef, Foto oben: © Haus der Fotografie, Foto unten: © Nixdorf Fotografie

Direkt am Stadtplatz und doch eine Oase der Ruhe: die frühbarocke Studienkirche St. Josef g (externer Link, öffnet neues Fenster)ehörte zum Jesuitenkolleg. Nachdem der Jesuitenorden 1773 aufgehoben wurde, ging die Wandpfeiler-Kirche an den Malteserorden über. 2018 wurde sie profaniert und bietet heute Raum für experimentelle Kunst, Klang-Installationen und Projektionen.

Schlosspark Nymphenburg München/Oberbayern

Eine ruhige Seitenallee im Schlosspark Nymphenburg. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung

Auch in den Parks und Gärten wird es stiller - vielleicht auch für euch ein perfekter Moment, um einen Gang runter zu schalten und euch eine "Aus-Zeit" zu gönnen: die Blätter rieseln zu hören, versteckte Ecken und Alleen zu entdecken, aufzuatmen. In der traditionellen chinesischen Medizin wird dem Element Metall im Herbst die Lunge als Organ zugeordnet. Vielleicht tut es auch darum so gut, im Herbst dem Atem bewusst viel Raum zu geben. Auf einem Spaziergang an der frischen Luft im Schlosspark Nymphenburg, unterwegs auf weniger bekannten Seitenwegen, zu Parkburgen und Pavillons, die hinter bunten Bäumen auftauchen oder sich im Wasser spiegeln... Ein aufwändiges Kanalsystem leitet den Fluss Würm zum Schlosspark und speist Seen, Brunnen und Wasserarme. Und vielleicht mögt ihr auch dem einen oder anderen herbstlichen Gedanken meditativ nachgehen: Wer oder was ist euch wichtig? Was wollt ihr hinter euch lassen, was wollt ihr bewahren, woran wollt ihr euch erinnern und was darf gehen?

Grabkreuzmuseum der Kunstschmiede Bergmeister in Ebersberg/Oberbayern

"Kein Können ohne das Wissen der Alten, und kein Fortbestehen alter Kunstfertigkeiten ohne ihre Anwendung im Heute".  Das Grabkreuzmuseum vermittelt die jahrhundertealte Symbolsprache der Grabkreuze als ein Stück Kulturgeschichte und als Aufgabe an die zeitgenössische Gestaltung. Die Brüder Manfred Bergmeister und German Larasser begannen schon in den 1970er-Jahren schmiedeeiserne Grabkreuze zu sammeln. 2002 entschied sich Firmengründer Manfred Bergmeister, ein privates Museum in den alten Werkstatträumen der Kunstschmiede Bergmeister in Ebersberg einzurichten, um die inzwischen beachtlich angewachsene Sammlung nicht nur dem kunsthandwerklichen Nachwuchs, sondern der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die ältesten Objekte der Sammlung sind Werke der frühen Renaissance, die jüngsten sind zeitgenössische Entwürfe. Das Grabkreuzmuseum repräsentiert also mittlerweile rund 500 Jahre Grabkultur und Handwerkskunst.

KZ Gedenkstätte Flossenbürg /Oberpfalz

KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Thomas Dashuber

Bis zur Errichtung des Konzentrationslagers war Flossenbürg nur ein kleines Dorf im Oberpfälzer Wald. Doch ab 1938 mussten hier über 100.000 Menschen unter unmenschlichen Bedingungen in den Granitsteinbrüchen schuften. 30.000 überlebten die Tortur nicht.
Männer, Frauen und sogar Kinder aus über 47 Nationen Ländern waren in der Barackensiedlung inhaftiert, die Hälfte von ihnen polnischer oder sowjetischer Herkunft. Hinter den grausamen Zahlen stehen einzelne Schicksale. Wer waren diese Gefangenen? Warum waren sie hier? Und was wurde aus ihnen? Diese Fragen versucht die neu gestaltete Ausstellung in der ehemaligen Wäscherei nachzugehen. Im Film "Wir haben überlebt … die anderen sind geblieben", kommen sieben ehemalige Häftlinge des Lagerkomplexes Flossenbürg zu Wort. Einer der bekanntesten unter ihnen war der Theologe Dietrich Bonhoeffer, vor der Arrestbaracke in Flossenbürg musste er im Morgengrauen des 9. April 1945 nackt zum Galgen laufen und wurde gehängt.
Auch die komplett neu gestaltete Website der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg erlaubt direkte und erschütternde Einblicke. Über die Online-Datenbank der „Memorial Archives“ wird es Nutzenden erstmals ermöglicht, in einem Teil des Archivbestandes zu recherchieren: zu videografierten Interviews mit Überlebenden des KZ Flossenbürg, zu ehemaligen Häftlingen, Gedenkorten und Verstorbenen.

Franz Marc Museum Kochel/Oberbayern

3 Frauen, die vor einem großen Fenster mit Blick auf die Berge, Yoga machen
© Franz Marc Museum

Franz Marc (1880–1916) nannte Kochel einen „Schicksalsort“. Und so wurde in einer Villa des späten 19. Jh. über dem Kochelsee das Franz Marc Museum eingerichtet, das diesen bedeutenden Künstler in der Landschaft würdigt, die er liebte und in der der größte Teil seiner berühmten bunten Tierbilder entstand.
Die Relaxing-Yoga-Stunden (externer Link, öffnet neues Fenster) finden im Aussichtsraum des modernen Museumsanbaus mit Ausblicken auf den Kochelsee und die Herbstlandschaft statt. Natürlich ist auch ein Rundgang durch Park und Museum wunderbar entschleunigend.

In den Herbst- und allen bayerischen Schulferien bietet das Museum tolle Workshops für Kinder: hier geht es zum Programm (externer Link, öffnet neues Fenster) (Anmeldung erforderlich).

Neues Museum Nürnberg/Mittelfranken

Moderne Wendeltreppe mit Glasbrüstung im Museum
© Neues Museum Nürnberg. Foto: Annette Kradisch
Menschen, die am Boden sitzen bei einem Yogakurs im Museum
Yogaklasse im Museum © Neues Museum Nürnberg. Foto: Sophia Rösch

Kunst setzt Gegeben­heiten unserer Welt in Formen und Zeichen um, beein­flusst Wahrneh­mung und Denken. Seit jeher sprengen Generationen von Künstlerinnen und Künstlern Grenzen, lassen Neues entste­hen oder greifen unter veränder­tem Blick­winkel auf Beste­hendes zurück.

Ähnlich lehren uns Yoga und Meditation, die Zusammen­hänge des Lebens immer wieder neu zu betrachten, Perspektiven auf sich, andere und die Umwelt, neu zu setzen und in Bewegung zu bleiben. Inwieweit der Ort in dem man übt und medi­tiert, Einfluss auf das Erleben hat, kann in den monat­lichen Yoga- und Medi­tationseinheiten mit Ulrike Rathjen in den Räumen des Neuen Museums Nürnberg erfahren werden.

Nächster Termin: 16. November 2023

Dream House Polling/Oberbayern 

Magenta-Licht und Klangwellen im Regenbogenstadl lassen die Zeit zu einem dehnbaren Begriff werden. Photo Marian Zazeela. Copyright © La Monte Young and Marian Zazeela 2001

Die Töne scheinen frei zu schweben und überwinden die Grenzen von Raum und Zeit. Wie endlose Klangwellen fließen die Akkorde und verbinden sich mit dem lila Licht - das „Dream House“ ist ein Sound and Light Environment der amerikanischen Künstler La Monte Young (geb. 1935) und Marian Zazeela (geb. 1940). In den Wintermonaten wirkt die Lichtskulptur Magenta Day / Magenta Night von Marian Zazeela durch den niedrigen Sonnenstand besonders intensiv. Neben den Lichtskulpturen von Marian Zazeela wird der Dauerklang „The Magic Opening Chord“ eingespielt: die beiden Akkorde Magic Chord und Opening Chord schwingen gemeinsam in einem Raum und finden ihren Zusammenklang in der Mitte. Es entsteht ein besonderes Klangerlebnis, so der Experimental-Komponist und Pionier der Minimal Music La Monte Young: "Werden diese Sinuswellen in einem geschlossenen Raum kontinuierlich gehalten – wie es bei meiner Musik der Fall ist – entstehen stehende Wellen, und jede Frequenz findet ihre Stellen stärkster Resonanz im Raum, um dazwischen zu schwingen."
Das Kloster Polling im idyllischen Schongau ist schon seit über tausend Jahren ein Ort der Lehre, Forschung und spirituellen Entwicklung. Das Besondere dieses Sinn-Ortes spürten zahlreiche Künstler. Unter ihnen waren auch viele Amerikaner wie der Komponist und die Licht-, Performance- und Installationskünstlerin Marian Zazeela. Gemeinsam schufen sie seit den 80er Jahren weltweit zeitlich begrenzte "Dream Houses". Das Regenbogenstadl in Polling und ihre Installation in New York sind die einzigen Dauereinrichtungen, die Einblick in das komplexe Werk der beiden Künstler geben.

Abb. ganz oben: Relaxing Yoga mit Aussicht im Franz Marc Museum in Kochel am See. Foto: Lars Oberländer

Nathalie Schwaiger & Bianca Faletti