Lust auf noch mehr Einblicke in die Welt der Mode? Nach unseren Artikeln über Ausstellungen und Museen, in denen sich alles um das Thema Mode dreht, haben wir einen Blick in die aktuelle Sonderausstellung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg geworfen, das erstmals in seiner über hundertsechzigjährigen Geschichte seine Sammlung frühneuzeitlicher Kleidung unter dem Titel In Mode. Kleidung aus Renaissance und Frühbarock zeigt. Im Zentrum der Schau stehen rund 50 Kleidungsstücke aus den Jahren 1530 bis 1650, die in den letzten Jahren wissenschaftlich neu bearbeitet und zum Großteil erstmals aufwändig restauriert wurden. Noch bis zum 6. März 2016 haben Sie die Gelegenheit dazu, sich selbst ein Bild vom Mikrokosmos Kleidung vor mehr als 400 Jahren zu machen.



In der heutigen Zeit ist vor allem der persönliche Modegeschmack das entscheidende Kriterium bei der Kleiderwahl – ganz anders war dies im 16. und 17. Jahrhundert, als Kleiderverordnungen je nach Geschlecht, Alter und sozialem Stand Farben, Materialien und Schnitte diktierten. So trug man seinen sozialen Stand für alle sichtbar zur Schau.
Von der bedeutenden Rolle der Mode in illustren Kreisen der Frühen Neuzeit zeugen zahlreiche Portraits, die die stolzen Träger und ihre edle Garderobe in aller Pracht zeigen. Feinste Pinselstriche zeichnen filigrane Spitzenborten und Stickereien detailliert nach, sodass sie dem Betrachter noch heute lebendig vor Augen stehen. Und spätestens beim Betrachten des Portraits eines Vierjährigen, der ausstaffiert mit Goldkette, Halskrause, Dolch und Mantel seinen ausgestopften Gänsbauch selbstsicher zur Schau stellt, wird klar: Kleidung soll nicht nur das Auge erfreuen, sondern sagt auch „Schau her, ich bin jemand!“ Allerdings darf man die gemalten Kleider nicht als realistische Abbildung der Wirklichkeit nehmen. Denn in der Welt der Gemälde ließ sich so mancher dazu hinreißen, sich besser darzustellen als er in Wirklichkeit war.




Gerade hier zeigt sich der große Reiz der Ausstellung, denn sie lädt zum Vergleich zwischen textiler Wirklichkeit und gemalter Repräsentation ein: Gleich in der Vitrine neben dem Portrait des Balthasar Paumgarner wird ein ganz ähnliches Wams aus grünem Seidenatlas gezeigt – allerdings in Erwachsenengröße. Das kleinteilige Muster, das beinahe den gesamten Stoff überzieht, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Schlitze. Ja, ganz richtig, mit einem scharfen Meißel wurde der feine Stoff hier regelrecht durchlöchert. Solche zeitgenössischen Schneiderwerkzeuge, die in diesem Fall von der Ausgrabung einer Bremer Schneiderwerkstatt stammen, sind ebenfalls in der Ausstellung vertreten und bieten so tiefere Einblicke in die Arbeit der Schneider und den alltäglichen Umgang mit Kleidung.
Ebenso in Mode wie „zerhauene“ Stoffe waren geschlitzte Ärmel und Brustpartien, die den Blick auf die darunter getragenen Schichten frei gaben. Doch nicht immer waren diese modischen Raffinessen gerne gesehen. Auf Karikaturen und Flugblättern können die Besucher nachverfolgen, wie sich Zeitgenossen über die Kleider feiner Leute, z.B. Halskrausen von gigantischen Ausmaßen, lustig machten. Viel schlimmer waren allerdings Drohungen der Kirche, die so manche modische Entgleisung als sündhafte Materialverschwendung oder gar Teufelswerk brandmarkte!
Doch wie ging es eigentlich weiter mit den abgelegten Kleidern der edlen Damen und Herren? Auch dieser Frage geht die Ausstellung nach und wagt dabei einen Blick in die Vergangenheit des Germanischen Nationalmuseums, denn die meisten dieser Stücke wurden während des 19. Jahrhunderts erworben. Der zum Teil recht unbefangene Umgang mit den Stücken lässt heute so manchem das Herz in die Hose rutschen. Noch in den 1950er Jahren wurden mehrere historische Modenschauen veranstaltet, bei denen die „Moden und Geräte vergangener Jahrhunderte einmal aus ihrem stillen Dornröschen-Dasein in den Museumsvitrinen zur lebendigen Darbietung“ (Zitat Jahresbericht GNM 97) gebracht wurden. Dabei schreckte man auch vor Umarbeitungen nicht zurück.
Heute wirken diese Schauen ähnlich bizarr wie der Bericht von einer Wundergeburt von 1589, bei der angeblich ein Säugling bereits mit Haube und Halskrause zur Welt gekommen sein soll. Und doch juckt es einen in den Fingern – unweigerlich stellt man sich vor, wie sich so ein roter Samtmantel auf den Schultern anfühlen würde. Und wie sollte man nur ein Essen mit so einer ausladenden Halskrause überstehen, ohne Flecken auf das feine Leinen zu kleckern?


In der aufwändigen Inszenierung ist wirklich viel Herzblut spürbar, genauso wie der Wunsch, die mehr als 400 Jahre alten Kleidungsstücke in ihrer ganzen Pracht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So werden zahlreiche Wämser und Mäntel mit Spiegeln ausgestatteten Vitrinen präsentiert, damit sie von allen Seiten betrachtet werden können. Neben den Vitrinen angebrachte Displays zeigen zusätzlich Video-Aufnahmen von Details und 360°-Ansichten der edlen Kleidungsstücke. Trotz des gedämpften Lichts sind die Stücke perfekt ausgeleuchtet, sodass man auch kleine Details gut erkennen kann. Die meisten Ausstellungsstücke darf man auch wirklich aus nächster Nähe in Augenschein nehmen. An Multimedia-Terminals werden die Restaurierungsarbeiten bilderreich erklärt und so manches ausgestellte Dokument kann man sich an Hörstationen vorlesen lassen. Eine rundum gelungene Ausstellung, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte!
Germanisches Nationalmuseum
Kartäusergasse 1
90402 Nürnberg
Telefon: 0911 / 1331-0
Öffnungszeiten:
Di – So: 10-18 Uhr
Mi: 10 – 21 Uhr
Jana Walter & Anna Blenninger